Bayern: Mit den Rosenheim-Cops gegen moderne Heiratsschwindler

Da stehen sie also, die „Rosenheim-Cops“ aus dem Fernsehen – im Münchner Justizpalast direkt neben Innenminister Joachim Herrmann und Justizminister Georg Eisenreich (beide CSU). Die Filmkulisse der Serie spielt eigentlich einige Hierarchieebenen tiefer, die Schauspieler Igor Jeftić und Dieter Fischer verkörpern die Kommissare Hansen und Stadler bei der Rosenheimer Kripo. In der Serie gibt es stets einen Mord, der aber fast zur Nebensache gerät, bei all den Missverständnissen rund um eine geschwätzige Sekretärin, einen eitlen Behördenchef und andere Protagonisten – ein Hochzeitstagsgeschenk wurde zerdeppert, eine Segelregatta geht schief, oh Gott. Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist diese leichte Krimiserie im ZDF bekannt und beliebt.

Dass Jeftić und Fischer am Mittwoch im Justizpalast auftreten, ist aber kein bloßer PR-Gag, der sich die Prominenz zunutze macht. Sondern es geht um einen ernsten Hintergrund, um Warnung vor Kriminalität, vor Betrug. Und um ganz persönliche Betroffenheit.

Das grassierende Auftreten von Schockanrufen, angeblichen Enkelkindern in Notsituationen und falschen Polizisten oder auch Maschen mit vermeintlich amouröser Komponente – Betrüger denken sich immer wieder neue Szenarien aus, um an das Vermögen ihrer Opfer zu kommen.

Und sie geben sich dabei auch als Prominente aus, als Lockvögel für einen perfiden Liebesbetrug im Internet: Sogenannte Love-Scammer versuchen mit den Namen von Darstellern der „Rosenheim-Cops“, in einem Fall konkret von Igor Jeftić, das Vertrauen von Menschen zu erschleichen und sie zu betrügen. Eine „üble Sache“, sagt Jeftić, gerade ein Fall aus Oberbayern habe ihn „wirklich schockiert“.

Daher stellen sich Fischer und er gern für die Aufklärung zur Verfügung. Man wähne sich in Sicherheit, ergänzt Fischer, Motto: „Mia kann so was ned passieren.“ Aber die Betrugsmaschen würden heutzutage immer kreativer – und im Falle des Love-Scamming, „nicht anderes als moderner Heiratsschwindel“, sei sie „besonders widerlich“.

Das Vorgehen läuft meist ähnlich ab. Über Internetportale suchen Kriminelle Kontakt zu oft älteren Menschen, bauen Emotionalität auf, stellen womöglich Liebe in Aussicht. Hat sich diese „Partnerschaft“ digital ein wenig gefestigt, fordern die Täter erst kleinere und letztlich hohe Geldbeträge. Die Kommunikation wird dann häufig auf andere Kanäle wie Telegram ausgelagert, da ist die Rückverfolgung schwieriger. In Erscheinung treten die Betrüger als Ärztinnen oder Soldaten, die wegen einer Krise dringend Geld benötigen. Das kann etwa auch ein adretter Ingenieur auf einer Öl-Bohrinsel sein, dem das Geld für den Heimflug nach Deutschland fehlt. Die Fotos dazu werden geklaut oder mit künstlicher Intelligenz kreiert. Oder eben Prominente dienen als Köder.

In einem Fall im Landkreis Weilheim-Schongau erschlich sich ein Betrüger das Vertrauen einer älteren Dame als falscher Rosenheim-Cop. Als Igor Jeftić. Der Täter brachte die Betroffene mit einem erfundenen Dilemma – Kosten für eine Scheidung – dazu, immer höhere Beträge zu überweisen, insgesamt am Ende 35 000 Euro. Der finanzielle Schaden liegt in anderen Fällen teils noch höher, auch im sechsstelligen Bereich, hieß es am Mittwoch. „Die Folgen für die Opfer sind erheblich. Abgesehen von dem materiellen Verlust drohen Depressionen und Angstzustände“, erklärte Justizminister Eisenreich. Allein im vergangenen Jahr wurden in Bayern mehr als 450 Fälle von Betrug mittels Love-Scam angezeigt. Die Täter konnten dabei etwa 5,3 Millionen Euro erbeuten. Das Dunkelfeld wird deutlich höher eingeschätzt, lässt sich Eisenreich zufolge nicht im Ansatz abschätzen. „Viele bringen die Tat aus Scham erst gar nicht zur Anzeige.“

Oft steckt organisierte Kriminalität dahinter

Auch wenn diese kriminellen Phänomene inzwischen medial präsent seien, „fallen leider immer noch viel zu viele auf derartige Betrugsmaschen meistens über Social-Media-Plattformen herein“, sagte Innenminister Herrmann. Ziel der Sicherheitsbehörden sei es, möglichst viele potenzielle Opfer zu erreichen und zu sensibilisieren. Ebenso gelte es, Angehörige und Vertrauenspersonen wie Bankmitarbeiter zu warnen. Hinter der Masche stecken oft Strukturen der organisierten Kriminalität im Ausland; ähnlich wie bei professionellen Callcentern für anderweitigen Internetbetrug.

Daher ist es schwierig, der Täter habhaft zu werden – eine Aufklärungsquote können die Minister auf Nachfrage nicht nennen. Überwiesenes Geld kann ebenso kaum zurückgeholt werden; so auch im oberbayerischen Fall. Allerdings konnten im April 2024 Münchner Staatsanwälte Tatverdächtige im Verfahren gegen eine nigerianische „Bruderschaft“festnehmen. Den in Deutschland lebenden Mitgliedern der Kriminellengruppe wird auch zur Last gelegt, Erlöse aus Betrugstaten wie Love-Scamming zu waschen.

Die Tipps an die Bevölkerung, von den Ministern und den TV-Kommissaren vorgetragen: kritisch sein im Netz, nie unter Druck setzen lassen, bei jeglichen Geldforderungen hellhörig werden, keine Bank- oder Kreditkarteninformationen preisgeben, sich mit dem Umfeld wie Familie und Bekannten besprechen – und beim geringsten Verdacht die Polizei einschalten. „Es gibt keinen Grund, sich zu schämen. Sie sind Opfer“, sagt Fischer. Bleibt noch die Frage: Ließe sich das brisante Thema nicht mal bei den „Rosenheim-Cops“ aufgreifen? Um noch breitere Resonanz für die Aufklärung zu finden? Schwierig, die Fernsehkommissare arbeiten ja eigentlich in einer Mordkommission. „Vielleicht mal als Nebenstrang“, meint Igor Jeftić. Aber das wäre „dann auch eher witzig“. Und das ist es nicht.

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