Besuch in einer ‚echten‘ Landarztpraxis: “Work-Life-Balance nicht immer leicht”

Bei Sat.1 ist die Vorabend-Serie „Die Landarztpraxis“ mit Carolin Frier ein großer Erfolg. Ganz so romantisch wie in der Soap ist der Alltag einer Allgemeinmedizinerin auf dem Dorf in der Realität natürlich nicht, wie die NDR-Reportage „Als Landärztin zurück ins Dorf“ zeigt.

Eine Reportage von HÖRZU Chefreporterin Mirja Halbig

Es ist kein Durchkommen: Telefonleitungen sind dauernd besetzt, Wartezimmer überfüllt. Arztpraxen arbeiten oft am Limit. Besonders betroffen sind Patienten auf dem Land. Immer weniger junge Mediziner entscheiden sich für einen Job in der Provinz. Bis zum Jahr 2035 sollen etwa 11.000 Hausarztstellen in Deutschland unbesetzt sein, so das Ergebnis einer Untersuchung der Robert Bosch Stiftung. Damit droht fast 40 Prozent der Landkreise die hausärztliche Unterversorgung.

Eine Frau, die gegen den Trend arbeitet, ist Diane Lorenz-Pferdmenges. Die 40jährige Allgemeinmedizinerin hat sich nach Stationen in Hannover, Braunschweig und Wolfenbüttel entschieden, die Landarztpraxis ihrer Eltern in Schleswig Holstein zu übernehmen. Das Erste zeigt diese Woche einen Einblick in den Alltag der zweifachen Mutter (Mi, 8. Januar, 23.35 Uhr im Ersten und in der ARD-Mediathek).

In HÖRZU verrät sie, warum ihre Entscheidung richtig war – trotz aller Herausforderungen, die viele ihrer Kollegen abschrecken, diesen Schritt zu gehen. „Mein Herz schlägt einfach dafür“ „Die Patienten freuen sich alle, dass ich wieder in meine Heimat zurückgekehrt bin“, sagt Dr. Diane Lorenz-Pferdmenges. 13 Jahre lang hatte sie das kleine Dorf Weddingstedt in Dithmarschen verlassen, um in Hannover zu studieren und anschließend in Kliniken in Niedersachsen zu arbeiten. „Die Menschen hier vor Ort finden es toll, dass ich die Praxis meiner Eltern fortführe und sie weiterhin einen Hausarzt haben, der sie begleitet. Es beruhigt sie auch, dass es in der Familie bleibt – es ist vertraut, ganze Generationen sind der Praxis verbunden. Viele kenne ich schon von klein auf.“

Als Kind hat Diane Lorenz-Pferdmenges ihre Eltern oft zu Hausbesuchen begleitet und war schon immer begeistert von dem Einsatz ihrer Eltern. Sie weiß genau, was es bedeutet, Hausarzt zu sein: Die Grenze zwischen Beruf und Privatleben ist fließend. Man ist verantwortlich für die Gesundheit eines ganzen Dorfs, ist Tag und Nacht erreich bar – und wenn man als Familie sonntags spazieren geht, kann es passieren, dass man als Frau Doktor beobachtet und angesprochen wird. „Der größte Teil meiner Patienten ist sehr rücksichtsvoll und sieht mich dann als Privatmensch und nicht als Ärztin“, berichtet Lorenz-Pferdmenges. Vor 37 Jahren haben ihre Eltern Karin (68) und Christian (70) die Behandlungsräume in der 2400-Seelen-Gemeinde gekauft und seitdem immer wieder erweitert. Insgesamt betreuen sie etwa 13.000 Patienten, pro Quartal etwa 2500. Vom Neugeborenen bis zur Seniorin.

Aktuell ist ein weiterer Kollege mit eingestiegen, sodass der Vater seine Arbeitszeit reduzieren kann und die Mutter bald aussteigt. „Seit der Gründung der Landarztpraxis in den 1980erJahren ist die Belastung enorm gewachsen, weil man auch ein größeres betriebswirtschaftliches Risiko trägt. Personalkosten sind gestiegen, und es kommen immer neue Ausgaben hinzu, etwa für Software, die immer wieder erneuert werden muss“, sagt Lorenz-Pferdmenges. „Die Gewinnspanne in der freien Wirtschaft ist definitiv größer. Es gibt kaum sonst Berufe, in denen man für Leistungen, die man erbracht hat, nicht bezahlt wird. Dazu sind viele junge Kollegen nicht bereit.“

Lorenz-Pferdmenges hat nie an ihrer Jobwahl gezweifelt. „Landärztin zu sein ist für mich nicht nur ein Beruf, es fühlt sich an wie eine Berufung. Mein Herz schlägt einfach dafür“, sagt die passionierte Medizinerin. „Mein Mann und ich haben uns dafür entschieden zurückzukommen, damit auch unser Sohn und unsere Tochter auf dem Land und in der Nähe der Großeltern aufwachsen können.“ In der Stadt hatte Lorenz-Pferdmenges oft Sehnsucht nach dem Land: „Besonders nach dem Wind – der weht in Dithmarschen eigentlich immer. Manchmal verflucht man ihn auch, aber wenn er nicht da ist, vermisst man ihn. Ich bin froh, dass ich mich für die Praxis in Weddingstedt entschieden habe, auch wenn die Work-Life-Balance nicht immer leicht ist.“

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