Ex-Fraktionschef Kauder gilt als erfahrener Kompromissmacher – doch mit dem konservativeren Kurs seiner Partei kann er sich nur schwer anfreunden.
Stuttgart – Der frühere Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, hat sich in einem Interview kritisch zur aktuellen Politik seiner Partei und zur Arbeit der Regierungsfraktionen geäußert. Er fordert mehr Kompromissbereitschaft und gegenseitiges Vertrauen zwischen den Partnern in der Koalition. Gleichzeitig warnt er die CDU davor, sich einseitig auf eine konservative Ausrichtung festzulegen.
Kritik an Merz‘ Kurs: Regierungsfraktionen müssen zusammenarbeiten
Gegenüber der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten erklärte Kauder: „Das Regieren kann jedenfalls nur dann funktionieren, wenn es zwischen den Regierungsfraktionen Vertrauen gibt. Die müssen auf Kompromiss gepolt sein.“ Ein gutes Verhältnis der Fraktionsvorsitzenden sei dafür unerlässlich, so Kauder. „Dazu ist ein sehr gutes Verhältnis zwischen den Fraktionsvorsitzenden notwendig.“
Der Politiker aus Baden-Württemberg leitete die Unionsfraktion von 2005 bis 2018. In den ersten Jahren seiner Amtszeit, zwischen 2005 und 2009, war SPD-Fraktionschef Peter Struck sein Gegenüber in der damaligen Großen Koalition. Aus dieser Zusammenarbeit entstand eine Freundschaft. Kauder schilderte: „Das Wichtigste ist: Man darf den Anderen nicht überraschen. Ideen, die über den Koalitionsvertrag hinausgehen, müssen im vertraulichen Gespräch vorsondiert werden.“ Am Donnerstag und Freitag kommen die Vorstände von Union und SPD in Würzburg zusammen, um über die politischen Aufgaben für den Herbst zu beraten.
„Das führt zu Enttäuschungen“: Kauder kritisiert Ausrichtung der Union
Der heute 75-Jährige galt lange als enger Vertrauter von Angela Merkel. Mit dem Kurs der Union unter dem aktuellen Parteivorsitzenden und Bundeskanzler Friedrich Merz tut er sich allerdings schwer. „Insgesamt ist der Eindruck wohl richtig, dass sich die Union konservativer aufstellen will. Auch wenn man aktuelle öffentliche Debatten verfolgt, kommt dieses konservative Profil stärker zum Ausdruck als das christliche Menschenbild. Ich frage mich da nur: Was heißt konservativ eigentlich?“, sagte Kauder.
Er warnte vor falschen Erwartungen: „Weil sich jeder etwas Anderes von konservativer Politik verspricht, können wir nie alle Erwartungen erfüllen. Das führt zu Enttäuschungen.“ Für manche bedeute konservativ eine strikte Haltung bei Themen wie Migration oder Abtreibung.
Andere wiederum sähen in der Förderung erneuerbarer Energien eine konservative Aufgabe, da sie dem Schutz der Natur diene. „Deshalb ist mit dem Begriff ‚konservativ‘ in praktischer Politik nichts anzufangen. Ich rate deshalb dringend, den Satz ‚Die CDU muss konservativer werden‘ nicht mehr zu verwenden“, empfahl der frühere Fraktionschef. (dpa/hk)