Gute Zeiten, schlechte Zeiten für Europa

Dänen und Deutsche zeigen sich als stabile Europäer. Im aufgeregten Frankreich dagegen drohen Chaostage nach den Wahlen zur Nationalversammlung. Die Briten nähern sich unterdessen der EU wieder an. Was diese Woche wichtig wird, steht in der Wochenvorschau von „Der Tag“.

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

das Verhältnis zu unseren netten Nachbarn im Norden hat zum Glück keinen Knacks bekommen an diesem Wochenende. Dänemark mit seinen rund 5,9 Millionen Einwohnern ist vom 14-mal größeren Deutschland nach einem ungewöhnlich dramatischen EM-Spiel mit 2:0 besiegt worden. Die Niederlage in Dortmund hat den Dänen aber kein Gefühl einer prinzipiellen Unterlegenheit vermittelt.

„Wütend, enttäuscht und traurig“ seien die dänischen Spieler zwar, schreibt „Politiken“ aus Kopenhagen. Doch ihr Zorn treffe nicht die deutsche Mannschaft, sondern den Schiedsrichter.

Tatsächlich vermochten gleich mehrere Entscheidungen des Engländers Michael Oliver die Fachwelt nicht zu überzeugen. Zu einem Elfmeter für Deutschland führte ein Handspiel, bei dem der Ball wohl nur den Fingernagel des Dänen Joachim Andersen berührt hatte.

Auf weiterhin gute Nachbarschaft: Dänische Fans am Samstagabend am Brandenburger Tor in Berlin.

Auf weiterhin gute Nachbarschaft: Dänische Fans am Samstagabend am Brandenburger Tor in Berlin.

Was soll’s? Im Sinne einer weiterhin ungetrübten Nachbarschaft im Norden hätte alles nicht besser ausgehen können. Bei einem Carlsberg Pils und einem anschließenden Aalborger Aquavit könnte man sich auf Folgendes einigen. Erstens: Die Dänen haben nicht gegen Deutschland verloren, sondern gegen den Schiedsrichter. Zweitens: Die kalte Dusche im Hagelschauer von Dortmund hat nicht nur eine Spielunterbrechung bewirkt, sondern auch Deutschen und Dänen eine gemeinsame Weißt-du-noch-Erfahrung beschert, etwas über den Tag hinaus letztlich Verbindendes. Es ist toll, wie der Fußball so etwas schafft.

Frankreich droht sich zu verirren

Dänemark ist übrigens erst im Jahr 1973 der EU beigetreten, nach jahrzehntelangem Zögern. Heute indessen denkt dort kaum jemand an Austritt. Der kleine Staat profitiert wirtschaftlich in großem Stil von der Gemeinschaft. Und die dänische Version der AfD blieb bei den Europawahlen im Juni einstellig – auch wegen des harten Realo-Kurses der sozialdemokratischen dänischen Regierungschefin Mette Frederiksen in der Asylpolitik.

Ausgerechnet in Frankreich dagegen, das 1957 zu den Gründungsstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gehörte, geht heute immer mehr der Blick für das Verbindende in Europa verloren. Von allen negativen Tendenzen der Gegenwart ist dies die für Europa gefährlichste.

Umfragen sehen ihn vorn: Jordan Bardella, Spitzenkandidat der Le-Pen-Partei Rassemblement National, bei der Stimmabgabe am Sonntagmorgen in Paris.

Umfragen sehen ihn vorn: Jordan Bardella, Spitzenkandidat der Le-Pen-Partei Rassemblement National, bei der Stimmabgabe am Sonntagmorgen in Paris.

Quelle: Aurelien Morissard/AP/dpa

Es half niemandem, dass der französische Präsident Emmanuel Macron die Woche vor der Europawahl dazu nutzte, drei Tage lang an verschiedenen Orten in Deutschland zwischen grünen Kugelbäumchen vor artig applaudierendem Publikum blumige Reden über Europa zu halten. Im Gegenteil. Auf diese Art hat er die rechtsextremen Strömungen in seinem Land noch verstärkt.

Seit heute laufen die vorgezogenen Wahlen zur Nationalversammlung, Stichwahlen folgen am kommenden Sonntag. Warum anschließend politische Chaostage in Paris drohen, erläutert Ihnen unsere Frankreich-Korrespondentin Birgit Holzer.

Die Partei der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen wurde über viele Jahre hinweg von russischen Banken finanziert. Ihr Ziel ist es, das Europa, wie wir es kennen, von innen her zu zersetzen. So soll an die Stelle der EU eine „Europäische Allianz der Nationen“ treten, von denen dann jede einzelne wieder dichtmachen und ihre ganz eigene Außenpolitik betreiben kann. So etwas gab es schon mal, vor 1957 und natürlich auch vor den beiden Weltkriegen.

Le Pens Leute wollen mehr Schulden machen, als Brüssel erlaubt. Und sie wollen, langfristig jedenfalls, auch raus aus der Nato. So könnte Frankreich nicht nur zum Ausgangspunkt einer neuen Finanzkrise in Europa werden, sondern auch die mühsam erreichte Einigung im Westen gegenüber dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine untergraben. Das alles wäre schlecht für Europa und gut für Wladimir Putin.

Großbritannien dreht endlich bei

Am Donnerstag wird in Großbritannien das Unterhaus neu gewählt. Alle Umfragen deuten auf ein krachendes Ende der seit 14 Jahren andauernden Vorherrschaft der Konservativen.

Der Brexit, die angebliche Großtat von Boris Johnson, wird nicht mehr als solche empfunden. Bei einer breiten Mehrheit der Briten hat sich inzwischen die Einsicht durchgesetzt, dass der Austritt aus der EU ein Fehler war: wirtschaftspolitisch, aber eben auch weltpolitisch. Die Wiederannäherung an Brüssel wird wohl noch einige Legislaturperioden dauern. Klar ist aber: Die Europäerinnen und Europäer brauchen im 21. Jahrhundert schon mit Blick auf China und die USA unbestreitbar mehr Zusammenhalt, nicht weniger. Europapolitisch drehen die Briten jetzt bei, und das ist gut so.

Viel zu spät hätten die Briten erkannt, dass der Brexit ein Fehler war, berichtete dieser Tage die „Financial Times“ unter Berufung auf Umfragedaten des Instituts YouGov.

Quelle: Financial Times

Innenpolitisch allerdings sind beim Erstarken von Labour in Großbritannien, kurioserweise ähnlich wie bei den Rechten in Frankreich, auch problematische Motive im Spiel. Hier wie dort geht es vielen Wählerinnen und Wählern auch um schlichtes Wunschdenken. Viele wollen vor allem die Debatte über die Finanzierung des Renten-, Gesundheits- und Sozialwesens am liebsten auf den Sankt Nimmerleinstag verschieben.

Optimisten könnten das vom Tisch wischen als ein Thema, das derzeit naturgemäß alle Europäerinnen und Europäer ein Stück weit verbindet. Man kann es aber auch pessimistisch deuten: als drohendes europäisches Hufeisen. Wenn Linke in London und Rechte in Paris eine unheilige Allianz des populistischen Reformverzichts bilden, sieht die Zukunft Europas düster aus.

Wo bleiben heute mutige europäische Anführer wie Helmut Schmidt und Helmut Kohl, Giscard d’Estaing und François Mitterrand, Margaret Thatcher und Tony Blair? Es geht nicht um Parteien, sondern um Grundhaltungen. Gute Zeiten hat Europa immer nur dann erlebt, wenn es sich nicht ängstlich weggeduckt, sondern sich auf etwas zwar Anstrengendes, aber Zukunftsweisendes verständigt hat.

Wir wünschen Ihnen noch einen schönen Sonntagabend und einen guten Start in die Woche!

Ihr Matthias Koch

Der Tag

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Wer diese Woche wichtig wird

Die Fans als zwölfter Mann? Spätestens seit dem Achtelfinale in Dortmund (ein Stadion, quasi gebaut für gute Stimmung) sind die Anhängerinnen und Anhänger der DFB-Elf zu einem echten Faktor geworden. Vizekapitän Kimmich nannte es die bislang lautstärkste Unterstützung im Verlauf des Turniers und hofft auf Wiederholung in Stuttgart. Dort geht es am Freitag ab 18 Uhr um den Einzug ins Halbfinale. Egal, ob es dann gegen formstarke Spanier oder enthusiastische Georgier geht, die Elf von Bundestrainer Nagelsmann braucht die Unterstützung der Fans für den Erfolg im Turnier. Es kommt auf uns alle an.

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